Fachliche Modellierung (Teil 3) – wer ist verantwortlich für die Begriffe im Datenmodell?

Data Vault Kritik

Wenn wir ein fachliches Datenmodell entwickeln, stoßen wir schnell auf zentrale Fragen der Begriffsklärung:
Was genau meinen wir mit „Kunde“? Oder: Ist „Umsatz“ in Bereich A dasselbe wie in Bereich B?

Diese Begriffe wirken auf den ersten Blick selbstverständlich – führen in der Praxis aber regelmäßig zu Missverständnissen, Reporting-Fehlern oder endlosen Diskussionen. Ihre Klärung ist kein Nebenprodukt, sondern der Kern fachlicher Modellierung.

Doch wer trägt die Verantwortung?

Drei Rollen, eine Aufgabe

1. Fachbereich – Bedeutung und Nutzung im Alltag
Der Fachbereich kennt die Geschäftsprozesse, Systeme und Ausnahmen. Er bringt das fachliche Wissen mit, um einen Begriff sinnvoll abzugrenzen und kontextabhängige Varianten zu benennen – etwa wenn ein „Kunde“ im CRM eine andere Rolle spielt als im Abrechnungssystem.

Beitrag:

  • Begriffsbildung aus der fachlichen Perspektive

  • Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

  • Beschreibung von Varianten und Ausnahmen

2. BI-Team – Struktur, Integration und technische Umsetzbarkeit
Das BI-Team sorgt dafür, dass aus Begriffen Modelle werden. Es prüft, ob die Definitionen konsistent sind, ob sie sich mit bestehenden Strukturen vertragen und ob sie technisch umsetzbar sind – zum Beispiel im DWH oder Semantic Layer. Dabei hinterfragt es die Begriffsnutzung systematisch, um blinde Flecken und Widersprüche aufzudecken.

Beitrag:

  • Konsistenzprüfung und Realitätsschärfung

  • Kontextualisierung innerhalb der Datenlandschaft

  • Integration in Datenmodelle und Berichte

3. Data Governance – Rahmen, Rollenklärung und Moderation
Data Governance treibt die Begriffsklärung nicht inhaltlich voran – und sollte es auch nicht. Dafür fehlt der konkrete Bezug zum Alltag und der operative Druck. Aber sie schafft den organisatorischen Rahmen, in dem BI-Team und Fachbereiche effizient zusammenarbeiten können.

Beitrag:

  • Rollenklärung: Wer darf definieren, wer muss zustimmen, wer pflegt? Dabei ist wichtig, dass Governance nicht zum Engpass wird.

  • Moderation: Bei widersprüchlicher Nutzung vermittelt Governance zwischen Bereichen – ohne selbst die Deutungshoheit zu beanspruchen.

  • Rahmensetzung: Standards für Glossare, Namensgebung und Freigabeprozesse ermöglichen eine langfristig belastbare Begriffspflege.

Modellierung beginnt mit Begriffsklärung

Begriffe werden nicht erfunden, sondern gemeinsam gebildet – und mit Leben gefüllt. Das BI-Team unterzieht sie einer Realitätsschärfung: durch Datenanalysen, Systemanbindung und Reportinganforderungen. Fachbereiche liefern das notwendige Wissen. Governance hält den Raum offen, in dem Zusammenarbeit gelingt.

So wird das BI-Team zum Brückenbauer zwischen Business, Technik und Governance.

Wer klare Modelle will, braucht keine „Übersetzerstelle“, sondern ein kollaboratives Vorgehen – mit klarer Kommunikation, geteiltem Verständnis und gegenseitigem Respekt für die jeweiligen Perspektiven.

Und wie immer, wenn Verantwortung verteilt ist, ist der Weg zur Einigung mühsam. Begriffe sind meist schon lange im Umlauf – und ihre Klärung bedeutet auch: Vergangenes hinterfragen.

Weiterlesen in meiner Modellierungsreihe:

Über die Autorin:
Dr. Katharina Wirtz ist Beraterin mit dem Fokus auf BI, Datenmodellierung und Team-Enablement. Mit ihrer Firma SKET22 hilft sie Unternehmen, datengetriebene Entscheidungen auf ein solides Fundament zu stellen.
Mehr zu ihren Workshops: sket22.de
Vernetzen auf LinkedIn: linkedin.com/in/katharina-wirtz

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