Phubbst du noch oder kommunizierst du schon?
In unserer digitalisierten Welt sind Smartphones allgegenwärtig – und oft sind wir uns gar nicht bewusst, wie sehr sie unsere zwischenmenschlichen Interaktionen beeinflussen. Das Phänomen Phubbing (eine Wortkreation aus phone und snubbing) beschreibt genau dieses Verhalten: Während eines persönlichen Gesprächs wird das Smartphone ständig in den Blick genommen oder sogar sichtbar auf dem Tisch liegen gelassen. Das Resultat? Der Gesprächspartner fühlt sich irritiert – oder im schlimmsten Fall ignoriert. Dabei ist Phubbing mehr als nur ein beiläufiger Blick aufs Handy. Es ist ein Verhalten, bei dem digitale Ablenkung die Qualität und Tiefe der Kommunikation beeinträchtigt. Sherry Turkle, eine Pionierin in der Untersuchung der digitalen Kommunikation, hat in ihren Studien gezeigt, dass allein die bloße Anwesenheit eines Smartphones tiefgehende Gespräche stören kann. Es entsteht eine Art ständiger Bereitschaft, digitale Signale abzurufen, wodurch das volle Eintauchen in das Gespräch erschwert wird. Nachdem wir nun wissen, was Phubbing ist, schauen wir uns an, welche unbewussten Mechanismen dabei eine Rolle spielen.
Wesentliche Aspekte des Phubbing
Turkle und andere Forscher haben Aspekte identifiziert, die erklären, wie und warum Phubbing unser Miteinander beeinflusst. Liegt ein Handy auf dem Tisch, gehen uns folgende Fragen unbewusst durch Kopf:
- Habe ich neue Nachrichten?
Bereits die sichtbare Anwesenheit eines Smartphones erinnert uns unbewusst daran, dass jederzeit Nachrichten oder Benachrichtigungen eintreffen können. - Wann kommt die nächste Unterbrechung?
Die Möglichkeit ständiger digitaler Unterbrechungen macht es uns schwer, sich voll und ganz auf das aktuelle Gespräch einzulassen. - Bin ich als Gesprächspartner wichtig?
Das Smartphone signalisiert, dass es immer noch eine andere Welt gibt – eine digitale Welt, die scheinbar jederzeit wichtiger sein könnte als mein direkter Gesprächspartner.
Diese unbewussten Fragen reduzieren unsere Achtsamkeit und Präsenz im Moment. Die Fähigkeit, im Moment zu bleiben, und echtes Zuhören und empathische Kommunikation leiden darunter.
Konsequenzen für unsere Teamkultur
Doch nicht nur in privaten Gesprächen spielt Phubbing eine Rolle – auch im beruflichen Kontext zeigt sich dieser Effekt deutlich. Besonders in der Nach-Corona-Zeit, in der Online-Meetings den Arbeitsalltag dominieren, stellt sich die Frage: Wie wirkt sich ständige digitale Ablenkung auf unsere Teams aus?
- Ablenkung in virtuellen Meetings
Wer kennt es nicht – während eines Meetings werden Nachrichten getippt, E-Mails gecheckt oder andere digitale Aufgaben parallel erledigt? Diese Ablenkungen senden unbewusst die Botschaft, dass die persönliche Interaktion an Bedeutung verliert. Ein aktueller Bericht des Microsoft Work Trend Index (2021) zeigt beispielsweise, dass solche Unterbrechungen nicht nur das Verständnis, sondern auch das Vertrauen innerhalb des Teams erheblich beeinträchtigen können. - Auswirkungen auf die Zusammenarbeit
Wenn Teammitglieder ständig gedanklich oder visuell abgelenkt sind, leidet die Qualität der Zusammenarbeit. Wichtige Entscheidungen und kreative Prozesse können dadurch behindert werden, weil echte, tiefe Kommunikation und das gegenseitige Zuhören verloren gehen.
Aber wir wollen nicht nur lamentieren, sondern auch einen konkreten Lösungsvorschlag anbieten.
Lösungsvorschlag: Quality Time in der digitalen Welt
Angesichts der „digitalen Verlockungen“ braucht der Einzelne mehr Disziplin, um bei der Sache und dem Gespräch zu bleiben. Eine mögliche Lösung ist eine Team-Vereinbarung von Quality Time – Phasen, in denen sich alle Beteiligten ganz auf die zwischenmenschliche Interaktion konzentrieren. Dazu sollte sich das Team über die Rahmenbedingungen verständigen, die das wären:
- Wie viel Quality Time pro Woche?
Es gibt keine universelle Antwort, doch viele Teams profitieren von regelmäßigen, abgrenzbaren Zeiten – beispielsweise ein- bis zweimal pro Woche, in denen Meetings oder gemeinsame Arbeitsphasen ohne digitale Störungen stattfinden. - Wie könnte das Setting aussehen?
- Meeting-Regeln: Vereinbart im Team, dass während bestimmter Meetings alle Smartphones stumm geschaltet oder außer Reichweite gelegt werden.
- Offline-Zeiten: Plant regelmäßige Offline-Phasen ein, in denen keine E-Mails oder Chat-Nachrichten erlaubt sind. Das kann in Form von „Focus Hours“ oder speziellen Workshops geschehen.
- Räume für persönliche Interaktion: Schafft bewusst Räume, in denen persönliche Gespräche ohne digitale Ablenkung stattfinden – sei es in der Kaffeeküche oder in speziellen Meetingräumen.
Fazit
Phubbing ist ein weit verbreitetes Phänomen, das – oft unbewusst – die Qualität unserer Gespräche und damit auch unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinträchtigt. Ob im privaten Umfeld oder in beruflichen Teams, der ständige digitale Begleiter sorgt dafür, dass wir weniger präsent sind und tiefgehende Kommunikation leidet. Durch bewusste Vereinbarungen und fest definierte Quality Time können Teams und Individuen dem entgegenwirken und wieder zu mehr echter, ungestörter Interaktion finden.
✍️ Über den Autor:
Dr. Katharina Wirtz ist Gründerin von SKET22 GmbH und Scrumkitchen, Trainerin, zertifizierte Coachin (dvct | cSBC) und agile Transformationsberaterin.